Daniil Charms | Exil Ensemble Maxim Gorki Theater Berlin | 2018
Dramaturgie: Mazlum Nergiz
Musik: Jens Dohle
Bühne: Julia Oschatz
Kostüm: Pina Starke
Fechtkoreographie: Klaus Figge
Fotos: ©Ute Langkafel
»Abgründe tun sich auch in „Elizaveta Bam“ auf. Das Leben in einer Diktatur, und sei es die des Proletariats, lässt sich eigentlich nur mit absurdem Theater fassen. Daniil Charms schlägt in seinem einzigen langen Stück von 1928 – Elisaveta soll jemanden umgebracht haben, aber irgendwie klappt das mit ihrer Verhaftung nicht so recht – einen Haken nach dem nächsten, lässt Stimmungen, Genres, Sprechstile wechseln.
Christian Weise folgt im kleinen Studio Я dem Autor in seinen Anweisungen (die sicherheitshalber zum Nachlesen auf den Stühlen liegen) getreu und toppt sie zugleich: durch Julia Oschatz‘ geniale Bühne, ein naiv gemaltes Zimmer in Schräglage, das sich überraschend ins Dreidimensionale weitet, durch Pina Starkes comichaft überzeichnete Kostüme, durch Herbert-Fritsch-ähnliche Lust an der körperlichen Verknäuelung. Allein die Nummer, in der die Figuren mit größter Ausdauer versuchen, einen Rollator durch die Tür zu kriegen, ist ein (ja:) absurdes Meisterstück – und Sinnbild für den ganzen Abend.
Vor allem ist es die erste Produktion des Exil-Ensembles, in der alle Schauspieler auf der Bühne überwiegend Deutsch sprechen (und zwar ziemlich gut) und zugleich mit einer irren Ganzkörperakrobatik glänzen, manisch angefeuert von Musiker und Geräuschemacher Jens Dohle im taktsicheren Dauereinsatz. Wie Mazen Aljubbeh und Karim Daoud zwischen treudoofen Slapstick und Bedrohlichkeit pendeln, wie bei Daoud sich immer wieder ein berührender Melancholierand dazuschleicht, wie man nie weiß, ob Kenda Hmeidans hübsche Elizaveta jetzt Unschuldslamm ist oder gerissene Schlange, das ist ein hemmungsloser Spaß über einem Schlund an Gewalt und Undurchsichtigkeit.
Dass neben vielen Russland-Klischees auch nahöstliche Ruinen zitiert werden, etwa die in Syrien liegende und durch den Krieg zerstörte Krak de Chevaliers, dass auch immer mal wieder arabisch gesprochen wird, sind dezente Hinweise darauf, dass sich das Charms’sche Absurdistan auch heute noch finden lässt.«
Georg Kasch, Nachtkritik
»Sonderbar vergnügt: „Elizaveta Bam“ von Christian Weise
Garstiger, auch kantiger ist dagegen die Inszenierung „Elizaveta Bam“ von Christian Weise nach einem Stück von Daniil Charms, die vor der Ronen-Uraufführung im Gorki-Studio gezeigt wurde.
Gemeinsam mit dem Exil-Ensemble hat Weise dieses Stück absurder Literatur nicht nur herrlich schräg auf die Bühne gepuzzelt, sondern auch als leise, aber unübersehbar Bezug zur Gegenwart genommen. So wenig, wie Elizaveta Bam (Kenda Hmeidan) weiß, wie ihr geschieht und wo welche Abgründe lauern, so wenig kann der Zuschauer die Wendungen und Verwicklungen dieses sonderbar vergnügten Geschehens durchschauen. Womöglich findet damit ein Gegenwartsgefühl seinen Ausdruck, mit allen fatalen Folgen. Es weiß ja keiner, ob diese Welt zum Lachen oder Heulen ist. Es wissen nur alle, dass ziemlich viel ziemlich falsch ist.«
Dirk Pilz, Berliner Zeitung