Macbeth

Allgemein, Schauspiel

 

William Shakespeare | DNT & Kunstfest Weimar | 2018

Dramaturgie: Beate Seidel
Komposition & musikalische Leitung: Jens Dohle
Bühne: Julia Oschatz
Kostüm: Lane Schäfer
Fotos: ©Candy Welz



»Weise stelle Shakespeares Tragödie auf den Kopf, „deren auf den Kern reduziertes Personal steckt er in Fettanzüge mit hängenden Brüsten und Pimmeln“, so Michael Helbing in der Thüringer Allgemeinen (20.8.2018). „Dick angezogen, sind sie alle nackt –und entstellt es als monströse Familie Frankenstein bis zur Kenntlichkeit.“ Das sechsköpfige Ensemble spiele insgesamt überwältigend auf. „Corinna Harfouch und Susanne Wolff glänzen hier dadurch, dass sie mehr und auch anderes wollen und sollen, als dem Abend Glanz zu verleihen.“ Sie spielen absichtsvoll so derb und tragikomisch, „so wie hier sieht man sie eben: nur hier“. Fazit: Ein aufgeheizter „Macbeth“ nicht nur zum furiosen Auftakt der Weimarer, sondern der Thüringer Theatersaison.«

Nachtkritik



»Ob Mann oder Frau agiert, spielt keine Rolle mehr im Angesicht von Mord und Macht – so werden sie alle zu Schreck-Gestalten wie aus Alfred Jarrys grober Farce um den wilden Wüstling ‚König Ubu'“, so Michael Laages im mdr (19.8.2018). An und für sich sei das eine starke Entscheidung, „speziell im ersten Teil aber dominiert die Farce extrem stark die historischen Verweise, deckt sie fast zu“. Mächtig Mühe gegeben habe sich das Weimarer Team mit diesem „Macbeth“. Jens Dohle habe sogar Musik für ein von Bläsern dominiertes kleines Ensemble geschrieben, in der Müllers ohnehin schon stark lyrischer Text fast zu Arie und Rezitativ veredelt wird – das sei nur eine der vielen Attraktionen dieses Abends. Corinna Harfouch bleibe der Exkurs hin zu Hitler und über ihn und Buchenwald hinaus zu AfD-artigen Verharmlosern von heute vorbehalten. „Und so sehr das zum Müller-Bild von der plan- und visionslosen Gier nach Macht passt, so spürbar angestrengt wird auch dieser Themen-Schwerpunkt noch ins Spiel gezwängt. Den Gesamt-Eindruck aber beschädigt das nur bedingt: Die grobe Ubu-Schreckensfarce wird Müller und Macbeth zu gleichen Teilen und sehr kraftvoll gerecht.«

Nachtkritik






»Harfouch und Wolff glänzen, weil sie nicht glänzen wollen
Gleichsam aus demselben Stoff machte Heiner Müller 1972 die zum Schlachthaus verdichtete Fassung des „Macbeth“. Regisseur Christian Weise und Künstlerin Julia Oschatz als Bühnenbildnerin machen aus dem Schlachthaus nun ein Weimarhaus, in dem helle Köpfchen auch keine Chance haben, dafür aber sich blöde Typen die Rund- und Spitzköpfe blutig schlagen für die Macht, die vom Mittel zum Zweck mutierte. Ein Asbachgrünzug ist hier nicht im Weg, ein grüner Frosch aber schon.

Weise stellt Weimar ebenso wie Shakespeares Tragödie auf den Kopf. Deren auf den Kern reduziertes Personal steckt er in Fettanzüge mit hängenden Brüsten und Pimmeln – dick angezogen, sind sie alle nackt – und entstellt es als monströse Familie Frankenstein bis zur Kenntlichkeit.

Das betrifft nicht nur, aber auch die beiden Gaststars in einem insgesamt überwältigend aufspielenden sechsköpfigen Ensemble: Corinna Harfouch und Susanne Wolff glänzen hier dadurch, dass sie mehr und auch anderes wollen und sollen, als dem Abend Glanz zu verleihen. So wie hier sieht man sie eben: nur hier.

Sie spielen das absichtsvoll so derb und tragikomisch wie Vater und Mutter Ubu aus Alfred Jarrys absurdem Wiedergänger von „Macbeth“. Dort brüllte man verfremdet „Schreiße!“, hier hockt die Wolff als Macbeth mit Angstschiss auf dem Lokus, geplagt von Skrupeln. Die Harfouch steht als Lady hinter ihr/ihm und treibt all die Gewissensflausen aus.

Wechsel der Rollen, nicht der Prinzipien

Dann, nach dem ersten Morden für die Krone und nach einer ihrer clownesken Kloppereien, wechseln sie die Rollen, nicht die Prinzipien: Die Skrupel bleiben auf Wolffs Seite, das Gewissenlose auf der Harfouchs.

Was auch bleibt: Zwei schöne Frauen zeigen hässliche Fratzen, wie sie sich bei Bernd Lange, Oscar Olivo, Krunoslav Šebrek und Thomas Kramer fortsetzen, ob die nun gerade Männlein oder Weiblein spielen.

Wolffs Lady serviert Pizza aus den Buchenwald-Öfen von Topf & Söhne, nachdem Harfouchs Macbeth gerade den toten Freund Banquo dorthin schickte, sozusagen als den widersprüchlichen „Geist von Weimar“. Zuvor krächzte sie , dass „sich gerade in Weimar die deutsche Wiedergeburt“ vollzog: eine Rede der gnadenlosen Hitler-Kopie Fritz Sauckel (der Bauherr des Gauforums).

Das riecht und klingt alles auch ein wenig nach Brecht, nicht zuletzt düster-schräger Bühnenmusiken und Lieder Jens Dohles wegen. Und es stellt Figuren groß aus – sowie hinein in Bilder: Foyer im Nationaltheater, Juno-Zimmer im Goethehaus, Küche im Haus am Horn . . . Julia Oschatz malte begehbare Kulissen, in denen aus zwei Dimensionen immer wieder drei werden. Sie suchte und fand historische Tiefe im Flachen sozusagen: Bilder einer geschichtsbewussten Ausstellung der ganz eigenen Art. So wurde dieser aufgeheizte „Macbeth“ im Nationaltheater nicht nur zum furiosen Auftakt der Weimarer, sondern der Thüringer Theatersaison. Ins koproduzierende Kunstfest fügt er sich spielend ein, um gleich wieder herauszuragen. Und so war es mit allem an diesem Auftaktwochenende, das einem zwischen den Zeiten der Moderne springenden Festival programmatische Stringenz sichert, ohne es in Monokultur zu ersticken. «

Michael Helbing, Thüringer Allgemeine







»In Macbeths Reich regieren Zwitter. Die Macht und der Kampf darum hat die Menschen deformiert, jede kann jeder sein und umgekehrt. Mit diesem spannenden Konzept geht Regisseur Christian Weise an Shakespeares Drama heran. Mit seiner Inszenierung am Deutschen Nationaltheater Weimar wurde das Kunstfest Weimar als Koproduktion beider eröffnet. Und gemäß dem Grundgedanken spielt Corinna Harfouch Macbeth und seine Lady, Susanne Wolff ebenso.

Lane Schäfer hat die Kostüme auf die Inszenierungsidee eingestimmt: Grotesk ausgestopfte Körper, mit Brüsten und Penis, von einem Kilt (Macbeth) oder einer Stola nur notdürftig bedeckt; auch die maskenhaften Köpfe sind verformt. Will sagen: Weder Geschlecht noch Herkunft oder Stellung bewahren vor den Deformationen des Kampfes um Thron und Land. Ebenso stimmig das Bühnenbild von Julia Oschatz: Anfang und Ende spielen vor dem Eisernen Vorhang, alles andere in einem surrealen Raum. „…“ Begleitet werden die Szenen vom Bläserquintett der Staatskapelle Weimar in Skelettkostümen.

Was Regisseur Christian Weise hier inszeniert hat, ist nur äußerlich eine Groteske, aber inhaltlich so gefährlich und erschreckend wie Shakespeares Stück, auch in der schnellen, harten, teils saloppen Übersetzung Heiner Müllers. „…“

Diese wunderbar dichte und überzeugend gespielte Macht-Groteske lässt das Publikum nur mal kurz kichern, ansonsten bleibt es in diesen zwei Stunden absolut still. „…“ Die Musiker spielen dazu mal lieblich, mal hart und rhythmisch und manches klingt wie eine Moritat à la Kurt Weill. Und das Ende vor dem Eisernen Vorhang ist fast brechtisch: Harfouch als Macbeth tänzelt nach vorne, spricht „Mein Tod wird euch die Welt nicht besser machen“, lächelnden Schalk in Stimme und Mimik. Am Ende minutenlanger Jubel, ein furioser Auftakt für Christian Holtzhauers letztes Kunstfest, ehe er als Schauspieldirektor ans Nationaltheater Mannheim wechselt.«

Ute Grundmann, Die deutsche Bühne





»Zum Finale, wenn der Wald von Birnam sich bewegt hat, der Einseren Vorhang wieder unten und Macbeth eigentlich erledigt ist, steht die Harfouch einfach wieder auf, und sagt mit ihrem typischen Schalk im Blick: Himmel und Hölle haben einen Rachen und mein Tod wird Euch die Welt nicht besser machen. Man glaubt es ihr aufs Wort.«

Joachim Lange, Leipziger Volkszeitung