Queen Lear

Allgemein, Schauspiel

von William Shakespeare in einer Bearbeitung von Sören Voima | Maxim Gorki Theater Berlin | 2022

Bühne: Julia Oschatz
Kostüm: Paula Wellmann
Mitarbeit Kostüm: Isabell Reisinger
Livemusik: Jens Dohle
Licht: Frederik Wollek
Dramaturgie: Maria Viktoria Linke
Ton: Hannes Zieger
Video: Maryvonne Riedelsheimer, Jesse Jonas Kracht
Kampfchoreografie: Klaus Figge
Kamerakonzept: Marlene Blumert
Live-Kamera: Marlene Blumert, Tama Ruß
Fotos: ©Ute Langkafel


»Regisseur Christian Weise schert sich eigentlich wenig um interpretatorische Stringenz. Er feuert lieber wie wild aus der Popcorn-Kanone. Irgendwo in einer fernen Science-Fiction-Zukunft siedelt er die Geschichte an. Im Look der „Star Wars“-Saga, mit Lear in Darth Vader Montur. Julia Oschatz hat für das ko(s)mische Zeichenspiel ein Bühnenbild in herrlichstem Comic-Look entworfen. Knapp die Hälfte des Abends ist per Live-Kamera abgefilmt und nur per Leinwand zu verfolgen.
Und es macht Spaß, ist trashig, bunt, ein bisschen wie Weltraumparodien von Mel Brooks. Corinna Harfouch erliegt ihren Erben ganz wunderbar erst mit frostiger Miene, dann zunehmend verflüssigt, ratlos, rastlos. Catherine Stoyan wirft ihre Bossy Gloster in aller Einfalt und Arglosigkeit den Schurken ins Netz. Der Feinstaub der Ironie liegt über allem. In der Sturmnacht ihres Geistesverlusts begegnet Lear dann „Sister Eddie“ in Person der komödiantischen Allzweckwaffe des Gorki: Svenja Liesau. Und Liesau greift sich den Abend, berlinert sich Dutzende Minuten lang durch herrlich verdrehte Lebensweisheiten, und heilt Queen Lear mit heillosem Durcheinander. Harfouch reißt es weg, sie lacht, alle lachen. Liesaus Solo könnte endlos gehen.«

Christian Rakow, Nachtkritik



»Draußen Sturm, drinnen Shakespeare – erst musste alles wegen Krankheit verschoben werden, dann gab es eine Umbesetzung im Ensemble, die Schlechtigkeit der Welt ist dennoch nicht aufzuhalten. Am Sonntag feierte „Queen Lear“ Premiere am Gorki-Theater. Von Katja Weber
Eine wilde Mischung hat Regisseur Christian Weise angerichtet, sein Theater verleibt sich andere Kunstformen ein: Slapstick, Comic, großartige Live-Kamera-Arbeit mit Stummfilm-Elementen. Sein König Lear ist eine Königin, andere Rollen werden ebenfalls von Männer- in Frauenrollen gewandelt und umgekehrt, Drag gibt es auch.

Queen Lear erwehrt sich ihrer ruchlosen Söhne nicht im antiken Britannien, sondern im Weltall, denn Weise versetzt Shakespeares Intrige und Kriege in eine Star Wars-Saga. Und nachdem das Theaterpublikum zwei Jahre per Streaming Serien genossen hat, bedient er auch diese Sehgewohnheiten: Die Netflix-Serie „Succession“ lässt schön grüßen

Triggerwarnung: Dieser Abend könnte Gewalt enthalten!

Aber egal, ob die Tragödie im antiken Britannien oder in unendlichen Weiten ihren Lauf nimmt: An den Anfang gehört im Jahr 2022 eine Triggerwarnung. Fabian Hagen vom Nationaltheater Weimar trägt sie vor, er ist kurzerhand für einen erkrankten Kollegen eingesprungen (und dabei erstaunlich sicher in der neuen Rolle). Als Graf Kent, als Vertrauter der Queen, warnt er uns. Das alles heute Abend könnte ziemlich aus dem Ruder laufen.

„Es könnte zu fürchterlichen Szenen von Gewalt kommen, zu verbaler Gewalt, physischer Gewalt, sexualisierter Gewalt, zu kollektiver Gewalt“. Folter ist auch nicht ausgeschlossen. Noch ist das nur eine Möglichkeit, aber bei Shakespeare und angesichts der Natur des Menschen wird es genauso kommen. Und Kent, der loyale Berater, wird verstoßen: Wegen unbotmäßiger Ehrlichkeit fällt er in Ungnade bei der Queen.

Tragödie mit minutiöser Kameraarbeit

Der Abend findet bis zur Pause fast ausschließlich hinter der Bühne statt. Vorn auf der Bühne, unter einer großen Leinwand, sitzt dabei meist nur der Musiker Jens Dohle, um den düsteren Endzeit-Soundtrack zum finsteren Geschehen beizusteuern. Die Intrigen selbst werden auf der Hinterbühne oder in den Gorki-Räumlichkeiten gesponnen, in den scienefictionhaften Kulissen von Julia Oschatz.

In zweidimensionalen Raumgleitern, in denen das fabelhafte Ensemble sich dreidimensional in den Wahnsinn oder den Tod treibt. Zwei Kamerafrauen übertragen das Ränkespiel für das Publikum auf die Leinwand, so, als sei die Notwendigkeit, Theater künftig wieder verstärkt streamen zu müssen, schon mitgedacht worden. Im Laufe des Abend verlagert sich das Geschehen auf die klassische Theaterbühne. Bis dahin werden Drinnen und Draußen, Vorne und Hinten kunstvoll verknüpft; eine längere Szene spielt auch in der Dorotheenstraße hinter dem Theater.

Generationen-Krieg. Plus: Kampf der Männer gegen Frauen

In diesem anspruchsvollen Aufbau setzt Queen Lear das Unglück selbst in Gang. Sie will aufs Altenteil und ihr Reich unter ihren drei Kindern aufteilen. Vorher aber besteht sie auf wortreichen Liebesbekundungen, je großartiger und schmeichelhafter die Liebensschwüre, desto besser: „Wer von Euch wird künftig mich, die ich mich selbst entkleide der Macht des Eigentums, am meisten lieben? Daran soll Euer Erbe sich bemessen“.

Die beiden erstgeborenen Söhne tragen dicke auf, behaupten dabei, „das Ausmaß meiner Liebe sprengt die Sprache“, aber ausgerechnet die innig geliebte Tochter Cordelia bleibt schlicht und aufrichtig. Queen Lear schäumt vor Wut und verstößt sie. Die bevorzugten Söhne erweisen sich als undankbare Erben, sie demütigen Lear und treiben sie in den Wahnsinn. Parallel dazu entfaltet sich der Generationenkonflikt zwischen Gräfin Bossy Gloster, deren zynischer, eiskalter Sohn Proud Boy Edmund wiederum seine Schwester in Sachen Erbe ausstechen will. Hier arbeiten sich Männer an Frauen ab, Söhne an ihren Müttern und Schwestern. Das Genderthema wird ständig mitverhandelt.

Corinna Harfouch als Queen Lear im Darth-Vader-Look

Ausgelöst hat diesen Kampf aller gegen alle Queen Lear. Corinna Harfouch spielt sie erst als launische Herrscherin, gepanzert im lackschwarzen Darth-Vader-Ganzkörper-Gewand. Dann barfuß mit gelösten Haaren im Büßerkleid. Ist sie schon senil, als sie ihr Reich vererbt? Oder verliert sie ihren Verstand erst, als ihr klar wird, dass sie das einzige aufrichtige Kind verstoßen hat? Das bleibt offen. „Du bist alt geworden, bevor du weise warst“, sagt ihr Clown zu ihr. Harfouch verleiht ihrer Queen auch in deren aufbrausenden Momenten liebenswerte Züge.

Ein furioser, gefühlt kurzer Theaterabend

Dabei ist die Inszenierung kein Star-Vehikel rund um Corinna Harfouch. Der Abend versammelt lässt einige großartige DarstellerInnen glänzen: Aram Tafreshian als Erzbösewicht, Proud Boy Edmund. Svenja Liesau als dessen Schwester, eine große Komödiantin. Wobei der Abend im letzten Akt den komödiantischen Unterton abstellt und voll auf die Tragödie setzt und den hohen Ton. Der Kampf aller gegen alle bricht aus, das muss erwartungsgemäß schlimm enden. Oder wäre das zu verhindern gewesen?

Ein furioser Theaterabend, die 3 Stunden vergehen wie im Flug. Am Ende spendet das Publikum langen, dankbaren Applaus, Standing Ovations. Die nächsten Vorstellungen werden sicherlich genauso ausverkauft sein wie die Premiere.«

Radio 1




»Das ist großes Kino auf großer Leinwand. Halt, nicht ganz: Die Kulissen sehen sehr gemalt aus. Raumschiffe, Stationen auf fernen Sternen. Und irgendwann sieht man unter der Leinwand die Füße der Darsteller, die diese Kulissen betreten und dort live gefilmt werden. Es ist eben doch Theater, die Inszenierung von „Queen Lear“ am Maxim Gorki Theater.

Shakespeares Drama um einen alten König und sein Erbe wurde vom Autorenkollektiv Soeren Voima umgeschrieben, jetzt ist es eine alte Königin, die zwei heuchlerischen Söhnen ihr Reich vermacht; ihre Tochter, das einzig ehrliche Kind, aber verstößt.

Der Regisseur Christian Weise wollte für die Rolle der Queen unbedingt Corinna Harfouch – und, klar, ist sie großartig in der Rolle der erst sehr strengen und in ihrer Machtfülle überheblichen Queen – in eine Art Darth-Vader-Steppmantel gequetscht –, dann in der Bitterkeit der Enttäuschten, von den Söhnen Betrogenen und Herumgestoßenen und endlich im luziden Wahn der einsam Herumirrenden.

Wie passt das jetzt alles in ein Starship-Gewand? Das fragt man sich nach kurzer Zeit nicht mehr. Denn erstens geht es hier (Shakespeare) wie dort (Science-Fiction) um Macht, Dynastien, Eroberungen, Kriege, Ausgestoßene, Intrigen.

Genderdebatten, Cancelculture, Transkulturen

Zweitens ist das Spiel aller in diesem Ensemble so fulminant und ihr Text so intensiv mit satirischen Spitzen durchsetzt, dass man sich doch sehr darauf konzentriert, keinen der sprachlichen Hiebe zu verpassen, die ausgeteilt werden in Richtung Genderdebatten, Cancelculture, Transkulturen. Das ist ein Feuerwerk, das kaum Zeit lässt, über die einzelnen Funken länger nachzudenken.

Christian Weise und Soeren Voima nehmen Shakespeares Drama als Vorlage für ein Stück über eine Umbruchszeit, in der Gewissheiten verloren gehen und alte Legitimierungszusammenhänge nicht mehr funktionieren. Der Clown, der Narr, mit grünen Haaren und Eselsohren, der Queen Lear treu begleitet, reflektiert darüber in einem Monolog, der auch den Veränderungsdruck der Gegenwart umfasst.

Nicht nur Queen Lear muss erleben, wie das, was sie glaubte als Ordnung zu übergeben, einen Krieg auslöst, nicht allein einen Krieg der enterbten Tochter Cordelia gegen ihre Brüder Renegade Regan und Goneril, sondern auch der Brüder untereinander.

Ähnlich geht es der Gräfin Bossy Gloster, deren Sohn Proud Boy Edmund seine Schwester Sister Eddi anschwärzt und ausbootet. Aram Tafreshian gibt ihn genüsslich als echten Shakespeare-Intriganten, nur haben sich seine Argumente verschoben: Weil er als Mann mit Schwanz jetzt immer der Schwester den Vortritt lassen müsse, sieht er sich zu hinterfotzigen Methoden genötigt.

Voll von Rollen getauschter Geschlechter

Shakespeares Dramen sind voll von Rollen der getauschten Geschlechter. Bei Soeren Voima wird aus dem Grafen Kent, der King Lear als Diener verkleidet ebenso treu wie der Narr folgt, eine sprachlich mehrfach betonte „menstruierende Person“, die nicht Frau genannt werden darf und mit genderfluidem Charme und spitzer Zunge den Gegnern der Königin die Stirn bietet.

Fabian Hagen geht in dieser Rolle mit seinen Worten so biegsam um wie mit seinem Körper. (Dass er erst zwei Tage zuvor diese Rolle übernommen hat, erfuhr man durch eine Ansage zu Beginn und folgt ihm auch dafür mit Bewunderung.)

Es dauert in der Inszenierung, bis das Live-Spiel hinter der Leinwand, auf die es Kameras übertragen, auf der Bühne direkt zu sehen ist. Da ist die Königin schon von beiden Söhnen als alt und lästig abgeschoben worden und begegnet nun Sister Eddi, der von Gräfin Gloster verstoßenen Tochter. Mit ihr wechseln auch Ort und Zeit des Spiels.

Von Svenja Liesau gespielt ist Sister Eddi zu einer weiteren Narren-Figur geworden, eine Art Philosoph unter den Obdachlosen, gewaschen mit den Weisheiten des Überlebens auf der Straße, die Queen Lear schwer berlinernd in die Künste des Abtauchens einweiht. Als Zuschauer ahnt man vor den Beteiligten auf der Bühne, dass ihre Verrücktheiten Tarnung sind.

Ironie war bei Shakespeare die Sache der Narren, die doppeldeutige Sprechweise derer, die sich schützen müssen, solange das Monopol auf Wahrheit bei den Mächtigen liegt. In der Inszenierung von Christian Weise irrlichtert die Ironie durch alles, schon das gemalte Starship-Outfit der Bühne von Julia Oschatz ist eine Ansage des großen Augenzwinkerns, großes Drama wird immer wieder gebrochen und durch die vielen Filter des Populären gejagt.

Das hat Witz und unterhält, aber es schlingert auch etwas ziellos an Debatten der Gegenwart vorbei. Sympathisch zwar, aber nicht sehr erhellend.«

Katrin Bettina Müller, taz



»Die Queen dankt ab. Genug geherrscht. 500 gute Jahre waren es. Jetzt gilt es, das Reich den Kindern zu überlassen. Vom epischen Machtübergang kündet der Prolog zu Queen Lear, nach Shakespeare und mit Corinna Harfouch in der Hauptrolle. Live animiert wird der handgemachte Vorspann: große Leinwand auf der Gorki-Bühne und der Hofnarr (mit grünem Haar und Riesenohren: Oscar Olivo) hält eine schwarze Tafel in die Kamera, bewegt sie vorsichtig nach oben. Weiße Lettern laufen ins Unendliche, künden von Ereignissen in einer fernen Galaxie, in der eine lange Regentschaft endet.

Star Wars stand visuell Pate für Christian Weises Inszenierung. Nicht nur das ikonische Film-Intro: Im Raumschiff geht es weiter, zwischen bemalten Kulissen. Fürs Publikum uneinsehbar, aber auf der Leinwand groß wie im Kino, befragt die Queen ihre drei Sprösslinge, was diese ihr an Liebe bieten, um je ein Drittel ihres Landes zu erringen. Steif steht das Trio neben der Mutter, die im schwarzen Darth-Vader-Outfit aus Steppjacken (Kostüm: Paula Wellmann) auf ihrem Pilotensessel thront und starr in die Kamera blickt. Zwei schmeicheln ihr, Regan und Goneril. Lieblingstochter Cordelia verweigert die Übertreibung – und wird enterbt. Das Reich stürzt ins Chaos, am Schluss sind alle tot. Die Königin hat falsch entschieden, blind vor Macht.

Shakespeares Szenenfolge bleibt das Autor:innenkollektiv Soeren Voima in seiner Neufassung treu. Beherzt greift es in die Figurenkonstellation ein: Die Machthaber sind Frauen, neben Queen Lear auch Bossy Gloster (Catherine Stoyan), in deren Sippe es ähnliche Nachfolgekämpfe gibt wie bei den Lears. Lears ältere Töchter Goneril und Regan werden zu Söhnen – weil, so teilt es Weise im Gorki-Spielzeitheft mit, sie durchweg bösartige Charaktere seien und Shakespeares Stück in diesem Belang frauenfeindlich. Problematische Aspekte: gecancelt, wie Proud Boy Edmund, unehelicher Spross der Gloster-Sippe, schreien würde. Oder: mit Augenmaß aktualisiert.

Heutig ist die Sprache – „WTF. Hast du gemerkt, wie unberechenbar die Alte geworden ist?“, fragt Prince Goneril. Heutig sind auch die Diskurse, wie am Gorki zu erwarten, dem Hauptstadttheater für die swingende Zeitgenossenschaft. Edmund, der gegen seine Schwester Eddy intrigiert, verteufelt Gender„wahn“ und politische Korrektheit: „Seit über zehntausend Jahren regieren die Männer. Wie ungerecht. In der Tat. Aber warum regieren sie denn? Weil sie stärker sind, entschlossener, schlagfertiger“, zischt Aram Tafreshian mit stolz erhobenem Kinn und abfällig gesenkten Mundwinkeln in die vor seinem Gesicht aufgepflanzte Kamera. „Meine Muskeln sind straff. Mein Wille kolossal. Ich fürchte nichts“, bekennt er sich zur toxischen Männlichkeit. Tafreshian und seine Kolleg:innen haben sichtlich Spaß an der artifiziellen Spielweise.

Eine Dimension tiefer Mutterliebe

Auf keine einheitliche Spielhaltung festgelegt scheint Corinna Harfouch. Da ist die harte Autorität des Beginns. Wenn sie aber als vor Schmerz verrückt gewordene Queen über die nebelige Bühne stolpert oder gar im Gorki-Garten nasse Blätter sammelt und Zweige liebkost, erinnert die Zartheit ihrer Figur an Hamlets Ophelia. Ihr Abschied von der toten Cordelia, die sie in einer Schubkarre auf die Bühne schiebt, fügt dem Lear eine Dimension tiefer Mutterliebe hinzu. Überrollen lässt sich Harfouch willig von Svenja Liesau und deren Talent für Komik als Sister Eddy. Die ist vor dem Mordkomplott ihres Bruders geflohen, als „Arm Tom“ haust sie in der Heide, in welcher auch Lear dem Sturm trotzt. Und quatscht sie an, endlos berlinernd wie ein Kiezgewächs. An einer Stelle muss Harfouch lachen – vielleicht geskriptet, aber es ist ein schönes Zeichen für das Zurücktreten einer Virtuosin, die einer neuen Generation die Bühne überlässt.

Die Generationenfrage ist deutlich herausgearbeitet. Queen Lear setzt auf Autorität und Verantwortung, die Jüngeren auf Hedonismus und Identität. Gonerils Lakai Cutie Oswald (Mazen Aljubbeh) verbittet sich maulig jegliche Diskriminierung, und Fabian Hagen ruft das AGG auf, wenn er sich als „Clerk Kent“, als persönliche Referent:in bewirbt: „Ich arbeite auf selbstständiger Basis, bin keiner Gewerkschaft anhängig, austherapiert, offen für alles.“ Die hyperflexiblen Prekären lassen grüßen.

Enormen Witz zieht die Inszenierung anfangs aus der Überlagerung von König Lear und dem Krieg der Sterne. Das Stilmittel nutzt sich ab, die drei Stunden Spielzeit ziehen sich. Das Ende ist dann noch einmal ein Fanal: Edmund, der sich nach einem Lichtschwert-Duell von Goneril und Regan als Sieger der Geschichte wähnt und über die Schwachheit der „moralisch Reinen“ monologisiert, wird von seiner Schwester eindrücklich zum Verstummen gebracht. Eddy schneidet ihm die Kehle durch, mit den trockenen Worten: „Realismus ist immer die brutalste Art der Illusion.“ Die Deutungshoheit liegt bei einer neuen Generation. Deren Konfliktlinien hier offenliegen. Die Queen hat abgedankt.«

Elena Philipp, der Freitag