von William Shakespeare | Nationaltheater Mannheim | 2023
Bühne & Kostüm: Joki Tewes & Jana Findeklee
Musikalische Leitung & Komposition: Lotte Marlene Boewe & Lail Braslavsky
Dramaturgie: Lena Wontorra
Kampf-Choreografie: Jan Krauter
Fotos: ©Christian Kleiner
Wildes Spiel mit Strumpfbändern
Mit Shakespeare hat der Regisseur Christian Weise den idealen Stoff gefunden, um mit Illusionen, Realismus und Verwirrspielen umzugehen und ganz bei sich zu sein. Jetzt inszeniert er „Was ihr wollt“ in Mannheim und treibt das Geschlechter-Verwirrspiel im Sauna-Nebel auf die Spitze. […]
In Weises Inszenierung wechseln nicht nur die Slapstick-Einlagen und Kleider, sondern auch die Geschlechter. Denn Weise besetzt seine Figuren nicht nach Geschlecht, sondern nach Typen. Es reicht ihm nicht, Frauen in Männerrollen und Männer in Frauenrollen zu besetzen. Hier spielen Männer Frauenrollen, Frauen Männerrollen, Männer Männerrollen und Frauen Frauenrollen – und mit David Smith in der Rolle der Viola spielt sogar ein Mann eine Frau, die einen Mann spielt. Ein Verwirrspiel im Verwirrspiel, aber eines, das Weise und seine Akteure in jedem Moment beherrschen. […]
Christian Weise kennt die Größe, Tiefe und Aktualität des Autors. Er zerrt den Klassiker aus den Fugen, löst die Geschlechternormen aus, lässt seine Akteure derb und spielsüchtig Tabus brechen, fokussiert sich auf die Komik im Kummer und auf das Verdorbene im Schönen. „Schönheit ist nur eine Eintagsfliege“, schwadroniert der Narr, und „eine Mütze macht noch keinen Mönch“.
Das verleiht dem Ganzen einen gewissen Show-Faktor und Aktualität. So glatt geschliffen und karg die hölzerne Kulisse bis zur Decke ragt, so funkelnd und prachtvoll vibrieren die Charaktere durch das Bild. Am Ende werden buchstäblich die Hosen fallen gelassen, Tatsachen entblößt und das derbe Verwirrspiel zu einem romantischen Ende geführt. „Glam“ und „Drag“ gibt es im Abgang. Man könnte es als Shakespeare-Stück in Strapsen bezeichnen. Doch das wäre der Inszenierung kaum gerecht, die mit krassen Bildern und reflektierenden Monologen als Geschenk verpackt daher kommt – mit der Schleife direkt auf dem Gemächt.
Katharina Kovalkov, Nachtkritik
Für den turbulenten, temporeichen Show-Charakter seiner Inszenierung steht Weise ein prächtig agierendes Ensemble zur Verfügung, dem, außer den bereits genannten Darstellern auch noch Ragna Pitoll (Antonio) und Annabel Gärtner (Valentine) angehören.
Was da in Weises dreistündiger Inszenierung vor pittoresken Videoprojektionen kühn und mit viel Witz über die Bühne tobt, sucht nicht nach den Rätseln und Geheimnissen des Menschseins. Den Regisseur interessieren die schwermütigen Seelen der Liebenden weitaus weniger als die manchmal überdrehten Slapstick- Einlagen seines Komödienpersonals.
Alferd Huber, Mannheimer Morgen
Eine leicht schräg gestellte hölzerne Wand mit Drehtüren, Guckfenster und Klappe für die Hausbar kann im bunt wabernden Bühnennebel (Licht: Robby Schumann) zur Schlossfassade werden, die den Blick auf magisch wirkende Räume eröffnet, aus denen schemen- hafte Gestalten zögernd hervortreten, um auf der Schwelle wieder lange zu verhar- ren. In geschlossener Form wird sie zur Projektionsfläche für riesige Landschafts- und Paradiesgartenbilder im Stil alter Meister, in denen urplötzlich auch die Mitspie- lenden auftauchen, wenn sie gerade in ihren Liebesträumen versinken.
Das schafft stille Momente voll Poesie in der sonst überwiegend auf grellere Effekte setzenden Inszenierung, die auf der oberen Ebene in Shakespeares Sonettenton die hohe Min- ne zelebriert, während sehr viel weiter unten beim Trunkenbold Sir Toby und dessen Gefolge erotisch die reine Fleischeslust gefeiert wird. Gern auch unter lautstarkem Absingen zotiger Lieder wie „heut ist Rudelbums bei Tante Linchen“.
Monika Frank, Rhein-Neckar-Zeitung