von Anton Tschechow | Nationaltheater Mannheim | 2019
Bühne & Kostüm: Paula Wellmann
Musik: Jens Dohle
Dramaturgie: Sascha Hargesheimer
Fotos: ©Christian Kleiner
»Christian Weise und dem gut aufgestellten Mannheimer Ensemble gelingt ein berückender, eigenwilliger, sanfter und todtrauriger Theaterabend, an dem Träume der Protagonist*innen bleischwer wiegen und die Zeit doch wie im Tanz vergeht.«
Esther Boldt, Nachtkritik
»Christian Weise inszeniert Tschechows „Möwe“ als einen Kreislauf aus unerwiderten Gefühlen und leeren Posen. Irgendwie lieben und reden hier alle aneinander vorbei und hoffen, wenn nicht durch die Liebe, dann immerhin durch Literatur und Schauspiel erlöst zu werden.
Bei Tschechow klingt das so gemütlich: Familie und Freunde treffen sich im Sommerhaus am See. Ein Setting für schöne Menschen, gutes Essen an langen Tischen.
Deutlich wird das auch an den bunten und blumigen Kostümen, an den übermütigen Sonnenschirmen und Reifröcken, die wirken wie die Ausstattung für ein impressionistisches Picknick.
Aber: Das Bühnenbild in Mannheim kippt diese Gemütlichkeit in einen abstrakten Raum – gleich drei hintereinander geschichtete schiefe Ebenen werden bespielt. Drei Ebenen, die an eine Art erstarrte gelbe Welle erinnern.
Die Figuren können sich hier nur angestrengt gerade halten, für das Publikum sind so nicht immer alle Bühnenteile sichtbar. Denn außer um die Liebe geht es in diesem Stück auch um das Theater selbst. „Neue Formen“ sucht der angehende Schriftsteller Konstantin. Er hat eigens ein entsprechendes Stück für Nina geschrieben.
Tatsächlich ist diese Suche nach „neuen Formen“ aber nur ein unausgegorener Gedanke. Die Aufführung ist lächerlich, was Vassilissa Reznikoff als Nina gelungen zeigt, sie spielt sehr gut sehr schlechtes Theater.
Tschechow hat sein Stück eine Komödie genannt, diese Gattungsbezeichnung führt in die Irre, zwar gibt es auch in Mannheim viele amüsante Momente. Und die quäkende Orgel von Jens Dohle rückt alles in eine leicht ironische Richtung.
Aber der Grundton dieses Stücks ist wehmütig – man versteht das besonders gegen Ende – als Konstantin und Nina wieder aufeinandertreffen, gealtert und erwachsen. Die einst spielerischen Posen sind nun zu Berufen geworden: sie ist Schauspielerin, er ist Schriftsteller, bekannter noch als sein Rivale Trigorin.
Aber die Konflikte sind geblieben, keine Liebe, keine Erlösung durch Kunst. Das wahre Leben findet irgendwo anders statt.«
Daniel Stender, SWR2