Heiner Müller / Johann Nestroy mit Musik von Jacques Offenbach | DNT Weimar | 2018
Dramaturgie: Eva Bormann
Arrangement & musikalische Leitung : Jens Dohle
Bühne: Stefan Britze
Kostüm: Isabell Reisinger
Choreographie: Alan Barnes
Fotos: Candy Welz
»Merkwürdiges und Bemerkenswertes zum Thema gab es am Deutschen Nationaltheater Weimar – im E-Werk. Jens Dohle hat Offenbachs Musik hier im Wesentlichen für Hammondorgel und Donnerblech arrangiert, und das Schauspielensemble raunzt die Couplets und Ensembles lustvoll heraus und entwickelt so viel mehr Drive als die, im Vergleich, betuliche Dresdner Aufführung. In Christian Weises Inszenierung herrscht die Lust an der Wurstigkeit, am maßlosen Übertreiben. Bernd Lange und Krunoslav Srebek dürfen als Häuptling nach Herzenslust berlinern beziehungsweise schweizern und dabei, deutlich ironisch markiert, in Nationalsozialismus und nahrungsspezifischem Fremdenhass schwelgen. Dabei hält man sich im Wesentlichen an die Bearbeitung Nestroys, was vor allem Dascha Trautheit als Tochter Atala zugutekommt, die in dieser Version einfach etwas weniger dämlich sein muss und so in ihr Spiel zumindest die Idee vom rebellischen Teenager schließen kann. Darüberhinaus hat Hausregisseur Weise das Stück mit Heiner Müllers „Auftrag“ gekoppelt, eine zumindest nicht naheliegende Idee. Dennoch erweist sich der berühmte, von Nadja Robiné grandios gesprochene Text über den „Mann im Fahrstuhl“ als hervorragendes Fundament für „Abendwind“, weil das Thema der sozialen Vereinzelung exponiert wird. Und aus dem in oratorischer Strenge nach der Pause gespielten Stückrest schießen immer wieder Satzfetzen heraus wie „Die Welt wird, was sie war“ oder gar „Der ist ja gar kein Franzose“, die Nestors Text im Rückspiegel beleuchten.«
Andreas Falentin, Die deutsche Bühne, 04/2019