Alfred Jarry | Staatstheater Schwerin | 2014
Dramaturgie: Ralph Reichel
Musik: Falk Effenberger
Bühne: Julia Oschatz
Kostüm: Andy Besuch
»Weise hat ideale Kombattanten fürs lustvolle Ausmalen dieses furzenden, fressenden Amokulks gefunden: Allen voran die Berliner Künstlerin Julia Oschatz, die die fliegend wechselnden Schauplätze von Ubus Wirken in ein schwarz-weißes Papp-Universum verwandelt hat. Darin werden aus Thronen Riesenklos, Horden von Pappkameraden ziehen marodierend durch Polen, während Papierflieger- und kanonen sie militärisch unterstützen und Papphäuser in gemalten Flammen aufgehen. Die Flammen setzen sich fort in den Feuerringen auf den hochgeklappten Röcken der armen Opfer, die Kostümbilder Andy Besuch in neoprensteife Skulpturkostüme gestopft hat, deren Opulenz dem Bühnenzauber in nichts nachsteht. Das Ehepaar Ubu steckt in überdimensionalen Fatsuits, der Père mit lustig baumelndem Gemächt zwischen Stummel-O-Beinen, die Mère mit Hängebrustlappen, die sich mühelos vors Gesicht klappen lassen, wenn ihr die Blödheit ihres Gatten mal wieder die Schamesröte in dasselbe treibt. Es ist das Gesicht Brigitte Peters, der Grande Dame des Schweriner Theaters, die in ihrer Mischung aus Pumuckl und Megäre ihren stoffeligen Gatten Christoph Bornmüller jederzeit fest im Griff hat. Den Takt zum bunten Treiben gibt passgenau Falk Effenberger vor, der das Eingangsorchester so gut aufspielen wie er Türen knarren, Flieger dröhnen und Fürze knallen lässt. Es ist ein üppiges, sinnfreies Spaßvergnügen. Wäre da bloß nicht das Schweriner Sonntagnachmittagspublikum, das alle Scherze und Bühnenexzesse mit bleiernem Schweigen untergehen lässt. „Gequirlte Kinderkacke“ murmelt der bärbeißige Grauhaarige aus dem Nachbarsitz beim Abspann, wenn das Ehepaar Ubu, entmachtet aber gut drauf, auf einer Pappkiste gen Norden gesegelt ist. Immerhin: Da hat der Jarry-Sprech doch abgefärbt.«
Barbara Burckhardt, Theater heute
»Man ist baff. Ausgerechnet einer Bühne, die seit Jahren am Rande der Insolvenz entlangjongliert, gelingt so ein Coup. Ein Feuerwerk im Großen Haus des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin, gezündet mit den verblüffendsten Einfällen im Sekundentakt. Christian Weise verwandelt in seiner Inszenierung des „König Ubu“ von Alfred Jarry (1873- 1907) das unflätigste und subversivste Stück, das je geschrieben und aufgeführt wurde — erstmals 1896 in Paris —, in pure Zauberei.«
Hermann Hofer, Lübecker Nachrichten
»Welch mutige Choreographie eines enormen Schauspielertheaters!
Regisseur Weise inszeniert auf eine zugleich spietzfedrig-karikierende und derb parodistische Weise. Das funktioniert, weil es seinen Rythmus findet. Es ist die Welt jener Computerspiele, in der man ungestraft um sich ballert, solange, bis plötzlich doch Wunden zu bluten beginnen. Ein bedauerlicher Fehler im Programm, eine tödliche Realitätsebenenverwechslung. Eine durchaus überzeugende Auffassung vom Wesen des banal-dämonischen Ubu.«
Gunnar Decker, Neues Deutschland