Was ihr wollt

Allgemein, Schauspiel

 

William Shakespeare | Staatstheater Stuttgart | 2010

Dramaturgie: Christian Holtzhauer
Musik: Jens Dohle
Bühne: Jo Schramm
Kostüm: Katharina Müller
Kampfchoreografie: Klaus Figge
Fotos: © Cecilia Gläsker

Regisseur Christian Weise Shakespeare Was ihr wollt Stuttgart
Regisseur Christian Weise Shakespeare Was ihr wollt Stuttgart
Regisseur Christian Weise Shakespeare Was ihr wollt Stuttgart
Regisseur Christian Weise Shakespeare Was ihr wollt Stuttgart

»Die große Qualität von Weises Inszenierung ist, dass sie ihr Tempo bis zum Schluss hält. Sie steigert sich nach der Pause durch virtuos-knochenbrecherische Fecht- und Prügelszenen, bei denen auch ganze Bretter auf Köpfen zertrümmert werden – sehr akrobatisch hier Toni Jessen als Violas Zwillingsbruder Sebastian.

Für die reflektierenden Augenblicke sorgt im Karussell der Liebeswirren vor allem Lukas Rüppel als Viola: Sein doppeltes Spiel, das auch eigene Verwirrung und innere Zerrissenheit zur Folge hat, die in einer mitreißenden Interpretation des Prince-Songs „Purple rain“ Entladung finden, geht unter die Haut. Und in seiner finalen Rückverwandlung in eine Frau – flugs entkleidet er sich und klemmt sein Gemächt zwischen die Beine –, in dieser krassen Entblößung zeigt sich plötzlich die ganze Zerbrechlichkeit, Gefährdung und Einsamkeit des Menschen – ein erschütternder, zutiefst beklemmender Augenblick inmitten des Klamauks.«

Verena Großkreuz, Nachtkritik

Regisseur Christian Weise Shakespeare Was ihr wollt Stuttgart
Regisseur Christian Weise Shakespeare Was ihr wollt Stuttgart
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»Christian Weise inszeniert Shakespeare so authentisch übermütig, „als säßen wir im Globe Theater und nicht in der Box in der Türlenstraße, wo man durchs Fenster die Züge in den nächtlichen Hauptbahnhof ein- und ausfahren sehen kann“, schreibt Martin Halter in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (29.11.2010). Die sparsam, aber durchaus phantasievoll eingesetzten Requisiten gehören zu einem Illusionstheater der billigeren Sorte: “ Eine Sprühflasche macht den Regen, der Musiker das Geräusch von Schritten auf Kies, Feste übernimmt das Vogelgezwitscher.“ Dafür werde das Stück fast ungekürzt gegeben, mit allen Fecht- und Kampfsportszenen, traurigen Liedern, schamlosen Späßchen und Slapsticks. „Das Schönste an diesem Abend“, so Halter, seien zweifellos die Video-Kulissen. Alte Paradiesbilder von Botticelli bis Cranach werden heiter ironisch animiert, „ein surrealistisches Such- und Wimmelbild wie von Max Ernst oder Dalí, das dem weniger subtilen Treiben auf der Bühne immerhin einen altmeisterlich verspielten Rahmen gibt.“«

Nachtkritik

Regisseur Christian Weise Shakespeare Was ihr wollt Stuttgart
Regisseur Christian Weise Shakespeare Was ihr wollt Stuttgart
Regisseur Christian Weise Shakespeare Was ihr wollt Stuttgart
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»Christian Weise knüpfe an die historische Aufführungspraxis an, indem er alle Rollen mit männlichen Darstellern besetze, „ohne die Verkleidungs- und Verwechslungskomödie zur bloßen Homo-Sause zu erwärmen“, schreibt Martin Mezger (Esslinger Zeitung, 25.11.2010). Und damit gleich klar sei, „dass hier Rollen-Männlein wie -Weiblein Schöpfung der Herren sind, marschiert die Schauspielmännerriege zu Beginn in paradiesischer Nacktheit auf – vor dem wenig paradiesischen Fensterblick aufs nächtliche Stuttgart-21-Areal“. Das Motiv vom verlorenen Garten Eden korreliere freilich mit dem Inhalt, denn Shakespeares Illyrien. Dass es Weise nicht nur „um – und gegen – strikte Geschlechter-Ordnung geht, sondern Identitätszwänge schlechthin“, zeigt er, „indem er die Rolle der um ihren Bruder trauernden Olivia von dem argentinischen Schauspieler Sebastián Arranz spielen lässt“. Der spanische Muttersprachler bringe „ein irritierend fremdes kulturelles Identitätsmuster ins Spiel, um es zur Disposition zu stellen“. Letztlich feiere „Weises Delirienillyrien“ die „träumerische Utopie aufgehobener Ordnungen, ihre Auflösung in eine Harmonie spielerischer Identitätswechsel, wo Rollenfixierungen nichts mehr zählen, weibliche Seelenanteile im Manne zulässig sind“. Und so gerate „die Anarchie vor der Harmonie zu einer lauten, lustigen, prall theatralischen und absolut sehenswerten Show“.«

Nachtkritik

Regisseur Christian Weise Shakespeare Was ihr wollt Stuttgart
Regisseur Christian Weise Shakespeare Was ihr wollt Stuttgart
Regisseur Christian Weise Shakespeare Was ihr wollt Stuttgart
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»Thomas Rothschild schreibt in der Stuttgarter Zeitung (25.11.2010): In der Shakespeare-Zeit habe man „einen Mann, der eine Frau spielt, die einen Mann spielt“ auf der Bühne gesehen. Für die Genderforschung heute ein „gefundenes Fressen“, auch für heutige Regisseure? Obwohl der „Klamauk“ drohe „funktioniere es größtenteils“ in Christian Weises Inszenierung. So „komplex“ wie Shakespeares Malvolio, dem man den Spott gönne und doch bemitleide, würden heutige Komödienfiguren kaum noch entworfen, die Stuttgarter aber hätten mit Johannes Benecke als Tobias Rülps, Cornelius Schwalm als Christoph von Bleichenwang, Boris Koneczny als Narr und Martin Leutgeb ein „prächtiges Komikerquartett zur Verfügung“. Michael Stiller als Malvolio sei „köstlich“, Lukas Rüppel bewältige die schwierige doppelte Geschlechtsverwandlung als Viola und Sebastian „virtuos“.«

Nachtkritik

Regisseur Christian Weise Shakespeare Was ihr wollt Stuttgart
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